„Es lohnt sich, auch wenn mal ein Fördermittelantrag abgelehnt wird!“
Evelin Nolle-Rieder (K3 Winterlingen) mit Tipps zu Fördermittelakquise
Das Interview wurde im Dezember 2020 geführt und ist in unserer digitalen Veröffentlichung „Zwischen.Spiel: Theater ist immer“ im Frühjahr 2021 erschienen. Für diesen Reupload hat Evelin Nolle-Rieder die gewährten Einblicke um neue Erkenntnisse ergänzt.
Liebe Frau Nolle-Rieder, dank der Unterstützung durch das Förderprogramm „Kultur Sommer“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg konnte die Kleinkunstbühne K3 e.V. im Sommer 2020 eine Produktion mit Zuschauer:innen veranstalten – einen Open Air-Theaterspaziergang. Wie kam Ihnen die Idee zu diesem Projekt, welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Die Landwirtin der Ziegenhütte Zollernalb, einem Bio-Betrieb hier im Ort, hat mich angesprochen, ob wir nicht gemeinsam irgendwas Kulturelles draußen machen könnten, da sie dieses Jahr keine Führungen durch ihre Produktion anbieten konnte. Wir konzeptionierten ein Kleinkunst- Picknick auf ihren Feldern, bei dem die Zuschauer in verschiedenen Klein-Gruppen (max. 20 Personen) von Künstler zu Künstler spazieren. Jede der vier Gruppen würde zeitlich an einem anderen Standort starten, sodass die Gruppen sich nicht begegnen. Die Zuschauer würden von der Landwirtin mit einem von ihr bestückten Picknickkorb für das leibliche Wohl ausgestattet.
Nach der ersten Kostenkalkulation war klar: Wir können dieses Vorhaben nur umsetzen, wenn wir wirklich eine Förderung erhalten. Nach Zugang des positiven Bescheids organisierten wir alles recht kurzfristig: Künstlerbuchungen, Organisation des Ablaufs, Werbung und Eintritt. Die Karten mussten vorab online bestellt und bezahlt werden. Im Preis waren Getränke und Verpflegung enthalten, mit wählbarer vegetarischer Variante. Zwei Mundartkünstler- Duos, ein Gauklerpaar und eine Puppenspielerin bespielten die vier Stationen.
Insgesamt war das Publikum, das teilweise eine zweistündige Anfahrt auf sich genommen hatte, sehr begeistert von diesem Konzept. Die überwiegend älteren Menschen (Ü55) fühlten sich im Freien recht sicher, und selbst am zweiten Aufführungstag, als wir wetterbedingt die Veranstaltungen in verschiedene Räume im Teilort Harthausen verlegen mussten, überzeugte unser Hygienekonzept.
Sie, Frau Nolle-Rieder, betreiben dieses Jahr besonders aktiv Fördermittelakquise, stellen Anträge bei zahlreichen Förderprogrammen, sowohl für das K3 als auch für Ihre freischaffenden künstlerischen Tätigkeiten. Warum?
Ich wollte den Kopf nicht in den Sand stecken und einfach abwarten, sondern schauen, wo wir was herbekommen können. Wir hatten 2020 kaum Einnahmen und ohne diese unterschiedlichen Förderprogramme und Corona- Hilfen wären wir in Insolvenz geraten oder hätten den Verein
auflösen müssen. Die Mittel z.B. aus den Bundesförderungen NEUSTART und NEUSTART KULTUR nutzte ich, um uns digital und hygienetechnisch auszustatten. Ich war da an manchen Stellen jedoch zu bescheiden. Nun merke ich, dass uns z.B. eine Luftfilteranlage schon noch gutgetan hätte.
Ich dachte, wenn schon so viele Förderportale von der Politik geschaffen werden, wäre es doch blöd, die nicht zu nutzen. Ich habe dann wirklich Tage damit verbracht, alles zu sichten, die Fristen zu notieren und zu überlegen, was wir brauchen, welche künstlerischen Formate wir unter Coronabedingungen verwirklichen könnten und in welches Förderformat es passen könnte.
Wie im Großen hat die Pandemie auch bei mir persönlich die Schwachstellen aufgedeckt. Als freischaffende Künstlerin arbeite ich hauptsächlich für die Kleinkunstbühne K3 und hatte nur wenig andere Aufträge. Das wird sich in Zukunft sicherlich ändern und ich freue mich sehr, dass ich ein
Künstlerstipendium durch den Fonds Darstellende Künste erhalte, um für mich weitere Konzepte und Projekte ausarbeiten zu können.
Was sind dabei Ihre Erfahrungen / Herausforderungen / Tipps und Erfolge, die Sie anderen sich Engagierenden mitgeben können?
Meine Erfahrung ist: es lohnt sich, auch wenn mal ein Antrag abgelehnt wird. Es macht irgendwann sogar Spaß, auch wenn es anstrengend und manchmal mühsam ist, wenn man z.B. vergessen hat zwischenzuspeichern und wegen schlechtem Internet hier auf dem Land aus der Seite fliegt. Sich auf die unterschiedlichen Eingabemasken einzustellen, als gefühlter digitaler Steinzeitmensch des letzten Jahrtausends, ist für mich jedes Mal eine Herausforderung. Genauso wie die fachliche und präzise
Formulierung des Vorhabens.
Es ist zeitintensiv, schon allein die Suche nach dem passenden Förderportal, dann das Antragschreiben selbst und nicht zu vergessen die Verwaltung, Dokumentation und Verwendungsnachweise, die sind bei Bundesförderungen wirklich aufwendig. Trotzdem lohnt es sich, denn nur über große Förderungen sind wirklich große Vorhaben auch realisierbar.
Meine Tipps:
Zuallererst gilt es, immer wieder die unterschiedlichen Seiten
zu besuchen: Ausschreibungen des MWK Baden-Württemberg,
Staatsministerium für Kultur und Medien, die unterschiedlichen
Fonds (Soziokultur oder Darstellende Kunst) oder Kulturstiftung des
Bundes, u.v.m. Auf den Seiten nach Ausschreibungen suchen und
die verschiedenen Förderbedingungen lesen – nicht nur einmal
sondern mehrmals!
Sich zeitig überlegen: Was könnte passen oder passend gemacht
werden?
Keine Angst vor großen Zahlen und keine Angst vor dem Eigenanteil
einer Förderung, den kann man z.B. über eine entsprechende
Spendenkampagne beschaffen. Auch da muss man sich halt auf
den Hosenboden setzen und entsprechend arbeiten.
Alle erforderlichen Unterlagen (bei Bundesförderungen sind
das u.U. eine Menge) unbedingt mit einreichen. Es macht keinen
guten Eindruck, wenn die Mitarbeiter noch Unterlagen hinterher
telefonieren müssen. Wenn ich Förderung erhalten möchte, muss
ich mich seriös darstellen.
Für Fördermittel-„Neulinge“ sind die Förderungen des LABW absolut empfehlenswert! Der finanzielle Rahmen ist überschaubar, aber eben auch die Erstellung des Verwendungsnachweises. Der Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand großer Förderungen(ab ca 10.000 Euro) aus Landes- oder Bundesmitteln ist wirklich aufwändig und bei mehreren gleichzeitig laufenden Förderungen nicht mehr von einer Person allein zu meistern.
Evelin Nolle-Rieder ist Schauspielerin und Mundart-Kleinkünstlerin. Sie ist die künstlerische Leiterin der
Kleinkunstbühne K3 e.V. in Winterlingen.
www.kleinkunstbuehnek3.de
Danke für die Unterstützung, liebe Frau Nolle-Rieder!
Fotos: Jürgen Rieder
Noch bis 01. Oktober: Fördermittel hier beim LABW beantragen!
Hier zur Förderantrags-Weiterbildung bei Naemi Zoe Keuler am 20.09.2022 anmelden!